„Die Analogie von Malerei und Sprache wird, sofern sie überhaupt jemals brauchbar war, angesichts der Farbe unmöglich“, bemerkte die französische Theoretikerin Julia Kristeva Anfang der siebziger Jahre in einem Text über Giotto. Die Farbe appelliert – ähnlich wie Gerüche – an Bereiche der Wahrnehmung und der Erinnerung, die dem Begrifflichen vorausgehen. Bei diesem Phänomen, das der englische Künstler und Autor David Batchelor in „Chromophobia“ (2000), einer Studie über „Angst vor der Farbe“ untersuchte, setzt auch die Malerei von Thomas Zitzwitz an.

In seinem Künstlerbuch „La Croix du Sud“ (2005) konfrontiert Thomas Zitzwitz – wie schon in „Ligne de Chance“ (2004) – die leuchtende Farbigkeit seiner Malerei mit der von lichtgesättigten, filmischen bzw. fotografischen Aufnahmen. Waren es in „Ligne de Chance“ Filmstills aus Jean-Luc Godards „Pierrot le Fou“ (1965) – also Bilder, die sich in die Geschichte ihres Mediums eingeschrieben haben und bereits zahlreiche Deutungen transportieren –, so erscheinen die Fotografien in „La Croix du Sud“ zugleich hermetischer und unmittelbarer, weil es jenseits individueller Erinnerungen und Vorstellungen keine Instanz gibt, auf die sich der Betrachter bei ihrer Lektüre stützen könnte. Ihre Farben und einzelne, zeitgebundene Motive wie Autos oder ein Fernseher lassen auf ihre Entstehung in den sechziger Jahren schließen – eine Dekade, auf die sich Thomas Zitzwitz auch durch seine Verwendung von Filmzitaten häufiger bezieht.

Einige der Fotografien in „La Croix du Sud“ sind „beschriftet“ – jedoch nicht in einem beschreibenden oder gar aufdeckenden Sinne, den sich Walter Benjamin in seiner „Kleinen Geschichte der Fotografie“ (1931) von der Beschriftung der fotografischen Aufnahme versprach. Die Textfragmente sind hier Bestandteil der fotografischen Bilder selbst; sie machen sie nicht eindeutiger, sondern fügen ihnen eine weitere Schicht von Assoziationen hinzu, nicht weniger schillernd als die Farbschichten der Malerei, denen sie gegenübergestellt sind: „Le diamant la Croix du Sud brillait d’un reflet de lune sur sa peau“ steht in weißer Schrift vor einem dunklen Hintergrund – offenbar ein mit Kiefern bewachsener Hang; im Vordergrund eine Dachkante mit einer hellen, aufgerollten Markise, deren geometrische Borte eine doppelte Schattenreihe an die Hauswand wirft. Das dem Foto gegenübergestellte Bild mit seiner brillanten, zitronengelben Farbe, die sich in einem Strahlenfächer auf der Bildfläche ausbreitet, erscheint als ein visuelles Pendant zu dem literarischen Zitat über den Diamanten Croix du Sud, das einem Roman des französischen Schriftstellers Patrick Modiano entnommen ist. Tatsächlich verweisen einige der Fotografien in „La Croix du Sud“ auf einen der Schauplätze des Romans „Dimanches d’août“ und dessen südliche, rätselhafte Atmosphäre.

„Mondlichtartiger Glanz“ geht auch von dem bislang großformatigsten, 2005 entstandenen Bild von Thomas Zitzwitz aus. Das Moment des Unbeständigen, das seine Malerei – bedingt durch die Verwendung von lichtreflektierenden Interferenz- und Fluopigmenten – grundsätzlich kennzeichnet, wird hier nochmals gesteigert. Es leuchtet in sehr hellen, gelblichen, rötlichen und bläulichen Nuancen, die je nach Blickwinkel und Lichtsituation perlmuttartig changieren. Die Farbe beherrscht in einem fließenden Kontinuum das gesamte Bildfeld, ohne durch lineare Konturen oder andere Arten der Strukturierung begrenzt zu sein – ein, wie Batchelor feststellt, von den Chromophoben gefürchtetes ästhetisches Phänomen, steht doch „die Vorherrschaft der Farbe auf Kosten der Zeichnung“ für „eine Anmaßung der Macht des Relativen über das Absolute, einer flüchtigen Erscheinung über die beständige Form.“

Barbara Hess, 2005